Frage: Ist die Kraft des Gehorsams der einzige Weg, um Gott mit ständigem, vollkommenem inneren Streben zufrieden zu stellen?

Sri Chinmoy: Ich habe über Gehorsam und Hingabe gesprochen. Nun will ich hinzufügen, dass der Suchende Gott definitiv zufrieden stellen kann, wenn der Gehorsam eines Suchenden glücklich, freudig, schlaflos und atemlos wird. Doch nicht alleine da­durch, nein! Es gibt verschiedene Wege. Der Eine mag sagen: „Mit Gehorsam will ich am schnellsten laufen, um Gott auf Seine eigene Weise zufrieden zu stellen.” Ein Anderer wiederum mag sagen: „Ich will durch mein inneres Streben am schnell­­­sten laufen und Gott zufrieden stellen.” Und ein Dritter sagt: „Ich will Gott durch meine Widmung zufrieden stellen und so am schnell­sten laufen.”
Es gibt viele Wege, um Gott zufrieden zu stellen und am schnellsten zu laufen. Wenn du die Straße des Gehorsams wählst, will ich dir sagen, dass dieser Gehorsam fröhlich, glücklich und spontan selbst­los sein muss. Dann wird der Gehorsam zu einem außerordentlich mächtigen Weg, auf dem der einzelne Sucher Gott zufrieden stellen kann. Wenn du auf der Straße des Gehor­sams am schnellsten laufen willst, dann darf dein Gehorsam nicht auferlegt sein. Er darf nicht aus der Angst heraus kommen, dass du für Ungehorsam bestraft wirst. Nein, er muss aus der Liebe entstehen.

Wenn du diese Art des Gehorsams besitzt, wirst du natürlich fähig sein, auf der Straße des Gehorsams am schnellsten zu laufen. Dann wird dein inneres Streben automatisch wie eine Flamme hoch, höher, am höchsten steigen. Dies geschieht, weil ständiger, schlaf­loser und atemloser Gehorsam vom höchsten inneren Streben nicht getrennt werden kann. Je höher dein inneres Streben steigt, desto mehr schätzt du die Bedeutung des Gehorsams. Und je mehr du auf Gottes Willen hörst, desto höher kannst du auch in deinem inneren Streben gehen.

Doch auf der praktischen Ebene muss man noch etwas anderes in Erwägung ziehen. Oft sagt sich ein Sucher: „Wenn ich in die Schule gehe und dem Lehrer nicht gehorche, wird er mich bestrafen. Wenn ich in einem Büro arbeite und dem Chef nicht gehorche, dann wird der Chef mich entlassen. Aber was wird schon geschehen, wenn ich Gott nicht gehorche?“ Wenn die Schüler beginnen, Gott gegenüber ungehorsam zu sein, fühlen die meisten, dass es keine Vergeltung gibt. Es gibt Vergeltung, doch sie findet nicht sofort statt. Wenn du heute Gott gegenüber ernsthaft ungehorsam bist, so mag Gott zehn Tage damit warten, dich zu bestrafen. Doch während dieser zehn Tage kannst du wiederum unzählige gute Dinge tun, die Gott zufrieden stellen, und Gott könnte dir vergeben.

Es geschieht sehr oft, dass wir grobe Fehler begehen. Doch wenn uns die Bestrafung nicht sofort oder in naher Zukunft ereilt, fühlen wir: „Vielleicht hat Gott uns vergeben, oder möglicherweise war es nicht einmal ein Fehler. Unser Verstand sagte uns, dass es ein Fehler war, aber viel­leicht hatte der Verstand unrecht.” Ungehorsam ist eine zerstörerische Kraft in uns, die sich oft versteckt. Wir finden Gründe, um den Ungehorsam zu rechtfertigen. Doch wenn wir etwas getan haben, das wirklich sehr unspirituell war, und wir nicht dafür bestraft wurden, sollten wir fühlen, dass die Zeit der Bestrafung noch nicht gekommen ist, oder dass uns Gott aufgrund unserer guten Taten vergeben hat.

Es gibt etwas äußerst Wichtiges, dem die Schüler keine Beachtung schenken, und das ist die Reue. Man sagt, Reue reinigt die Seele. Reue reinigt nicht die Seele; die Seele ist über Reue erhaben. Doch das Herz wird definitiv durch Reue gereinigt. Wenn wir etwas Falsches getan haben und deswegen bitterlich weinen, so ist in den Tränen Reue, und unser Herz wird gereinigt. Dann wird uns das Herz nicht gestatten, in der Zukunft nochmals denselben Fehler zu begehen. Durch die Buße wird unser Herz stark, stärker, am stärksten, damit es den Verstand herausfordern kann und der Verstand keine weitere Gelegenheit erhält, denselben groben Fehler zu wiederholen.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet , Teil 1, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2004
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