Teil V

SCA 389-394. Die folgenden Fragen wurden am 26. Mai 1996 beantwortet:

Frage: Guru, hattest Du vor Deiner Gottverwirklichung viele hohe Erfahrungen?

Sri Chinmoy: Ich hatte einige Erfahrungen, bevor ich meiner Gottverwirklichung gewahr wurde. Ein paar dieser Erfahrungen brachte ich bereits zu Papier. Eine meiner höchsten Erfahrungen war, wie ich die Erde verlassen wollte. Aber Mutter Erde mich bat, hier zu bleiben, um für die Manifestation zu arbeiten. Auch die Erfahrungen, die ich in den Gedichten ‚The Absolute’ und ‚Immortality’ festhielt, waren sehr hohe Erfahrungen.

Eine hohe Erfahrung hatte ich auch ungefähr drei Monate nach meinem Eintritt in den Sri Aurobindo Ashram. Die jungen Burschen und Mädchen im Ashram hatten selbstlosen Dienst zu verrichten, und meine Aufgabe war es, im Reisfeld zu arbeiten. Während ich dort meine Arbeit versah, bemerkte ich, dass sich einer der Mangobäume zur Erde neigte. Ich blickte den Baum an und überall im Baum – in allen Früchten und Blättern – sah ich meinen Lord Krishna. Krishna war hier, Krishna war dort; überall sah ich Lord Krishna! Vor dieser Erfahrung dachte ich nie an Lord Krishna; ich meditierte auf Sri Aurobindo und die Mutter. Doch ich war so begeistert, als ich überall Lord Krishna wahrnehmen konnte. Mein liebster Kindheitsfreund befand sich damals mit mir auf dem Felde. Ich sagte zu ihm: „Schau nur, schau nur, was ich sehe!“

Er hatte mich so gerne, dass er nicht einmal daran dachte, einen Beweis zu verlangen, oder meine Vision als eine mentale Halluzination abzutun. Er selbst sah nichts. Diese Erfahrung werde ich niemals vergessen.

Ein anderes Mal, als ich in der Meditationshalle des Ashrams meditierte, stieg mein inneres Wesen hoch, höher, am höchsten empor. Ich schwamm geradezu in einem Meer der Ekstase. Ich sagte zu mir selbst: „Ich kann nicht mehr höher steigen.“ Ich war so zufrieden mit dieser Höhe. Aber, oh Gott, dann erkannte ich, dass diese Höhe bloß der Ausgangspunkt war! In einem flüchtigen Moment stieg ich noch viel höher. So ging es für zwanzig Minuten oder eine halbe Stunde dahin. Jedes Mal, wenn ich eine neue Höhe erreichte, war das Menschliche in mir so zufrieden. Das Menschliche in mir sagte: „Es ist genug, genug, genug!“ Doch ich stieg immer noch weiter hinauf. Jedes Mal, wenn ich eine bestimmte Höhe erreichte, welche das Menschliche in mir mehr als ausreichend zufrieden stellte, gab das Göttliche mir einen weiteren Anstoß, noch höher aufzusteigen. Auch diese besondere Erfahrung werde ich niemals vergessen.

Ich habe auch schon oft erzählt, wie Mutter Saraswati mir all ihre Weisheit und inneren Fähigkeiten schenkte. Sie kam herab und spielte für mich, dann brach sie ihre Vina in Stücke und entleerte sie in mich. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in meinem absolut, absolut höchsten Bewusstsein.

Diese inneren Erfahrungen halfen mir in einem beträchtlichen Ausmaß. Wenn du einmal diese Art hoher, solider Erfahrungen erhältst, weißt du, dass du in Sicherheit bist, und dass du eines Tages das Höchste verwirklichen wirst. Wenn du dann deine vollkommene Verwirklichung erreicht hast und du in ihr völlig verwurzelt bist, verschwinden viele dieser früheren Erfahrungen. Es ist möglich, sich sogar an alle weniger hohen Erfahrungen zu erinnern, aber im Grunde genommen lässt man sie einfach los. Wenn du Tausende Hundert-Dollar-Noten bekommst, wirst du nicht anfangen, deine Dimes, Nickel und Penny zu zählen. Nach deiner Verwirklichung empfindest du die meisten deiner Erfahrungen so nichtssagend wie kleine Tropfen. Sogar die höchsten Erfahrungen sind vor der Gottverwirklichung wie kleine Tropfen. So ist das.

Sri Chinmoy, Sri Chinmoy antwortet, Teil 10, The Golden Shore Verlagsges.mbH, Nürnberg, 2007
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