Interviewer: Das ist wunderbar. Dann brauchen Sie es offensichtlich wirklich nicht.

Sri Chinmoy: Wenn ich ein Bild betrachte, versuche ich, seine innere Existenz, die wir Seele nennen, zu fühlen. Wenn das Gemälde mir unmittelbar ein Gefühl der Begeisterung oder der Freude vermittelt, wenn es mein strebendes Herz berührt und mich wünschen lässt, ein besserer Mensch zu werden, dann empfinde ich, dass dieses Gemälde für mich bedeutungsvoll ist. Doch wenn ein bestimmtes Kunstwerk meinem strebenden Herzen nicht unmittelbare Inspiration schenkt, ist es für mich sehr schwer, es zu schätzen. Wenn ein Gemälde eine magnetische Anziehung auf mich ausübt, werde ich eins mit ihm. Doch wenn ich zwischen dem Gemälde und meiner eigenen Inspiration oder Strebsamkeit einen gähnenden Abgrund wahrnehmen muss, dann ist es mir unmöglich, mich mit dem Künstler und seinen Werken zu identifizieren und mit ihnen eins zu werden. In keiner Weise fälle ich ein Urteil über diese Künstler, noch über ihre Gemälde; es ist eine Frage meiner Unfähigkeit oder Fähigkeit. Es gibt Millionen von Menschen, die diese Gemälde bewundern.

Interviewer: Ich verstehe das sehr gut. Ich hoffte, dass Sie das sagen würden, denn ich empfinde Ihr Werk als etwas Einzigartiges und Eigenständiges – und das gefällt mir.

Sri Chinmoy: Alles, was ich tue, kommt von meinem Leben des Gebetes und der Meditation. Ich benutze nicht den Verstand; ich gebrauche das Herz. Ich versuche, mein Herz zu einem empfänglichen Instrument werden zu lassen, damit Gott, der Höchste Künstler, in mir und durch mich malen kann. Ich bin wie ein Kugelschreiber. Jemand benützt mich, um etwas zu schreiben. Jemand handelt in mir und durch mich. Ich versuche nur, durch mein Gebet und meine Meditation für Gottes Gnade, die von oben herabströmt, empfänglich zu sein. Wenn uns jemand ein Geschenk überreicht, empfangen wir es mit großer Dankbarkeit. Genauso versorgt Gott mich mit Inspiration und Strebsamkeit, und ich bin Ihm äußerst, äußerst dankbar dafür. Ich weiß, dass ich ohne Ihn nichts kann und nichts bin.

Interviewer: Ich könnte mir keinen besseren Grund vorstellen, um Kunst zu schaffen. Ich freue mich sehr über diese Antwort. Ich staune über Ihr Werk! Haben Sie vielen Dank.

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