Frage: Sri Chinmoy, in der Hindu-Tradition spricht man davon, dass das Atman dem Brahman, das heißt die individuelle Seele der universellen Seele, ebenbürtig sei. Jesus Christus hat einmal gesagt: „Ich und mein Vater sind eins.“ Bedeuten diese beiden Aussprüche, die aus zwei verschiedenen Traditionen kommen, aus spiritueller Sicht ein und dasselbe?

Sri Chinmoy: Ja, es sind dieselben Aussagen. Atman und Param-atman sind die individuelle Seele und das Höchste Selbst. Gott steigt herab in die Manifestation und nimmt die Form einer individuellen Seele an, dem Atman. Im Verlaufe ihrer Evolution erreicht die individuelle Seele das Höchste Selbst und wird selbst zum Paramatman. Um sich vollständig und allumfassend in der materiellen Welt zu erfüllen, braucht Gott die individuelle Seele.

Diese beiden Aussagen bedeuten ein und dasselbe. Als Christus sagte: „Ich und mein Vater sind eins“, war es, als hätte er gesagt, der Atman und Paramatman seien eins. Deshalb sagen wir in Indien „_Atmanam Viddhi_“ - erkenne dich selbst. Wenn wir uns selbst erkennen, dann haben wir Gott erkannt, denn in Wirklichkeit gibt es keinen Unterschied zwischen uns und Gott. Selbsterkenntnis ist Gotteserkenntnis und Gotteserkenntnis ist Selbsterkenntnis. Dies ist auch die Bedeutung von „_Soham asmi_“ - Er ist ich, und „_Aham Brahma_“ - ich bin das Brahman. Im selben Sinne haben sämtliche esoterische Traditionen immer betont, dass wahres Wissen durch das Suchen im Inneren gefunden wird. Darum sagte Jesus: „Das Himmelreich ist in euch.“

Sri Chinmoy, Yoga und das spirituelle Leben, The Golden Shore Verlagsges. mbH, Nürnberg, 2007
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